„Wie ein Quadrat in einem Kreis, eck ich immer wieder an…“ *. Was Liedtexte so aussagen können. In meiner Teenagerzeit sprach mir der Text und vor allem diese Zeile regelrecht aus der Seele. Wie ein Quadrat in einem Kreis fühlte ich mich noch viele Jahre durchgehend. Es ist besser geworden, aber noch immer nicht erloschen.
Wieso ich genau heute, erst jetzt oder wann auch immer diesen Titel mit einem Beitrag, von dem ich noch nicht weiß, welchen Inhalt genau er beherbergen wird, schreibe, hat einen Grund:
Ich liebe meinen Blog. Seitdem ich blogge, habe ich etwas entdeckt, das mir durchgehend Freude bereitet, etwas, dass mich tagtäglich begleitet und ich mehr als nur als Hobby bezeichnen würde. Aber eine Frage stelle ich mir immer wieder: was ist ein Blog?
Ursprünglich als Online-Tagebuch gehyped, konkurrieren Blogs immer mehr mit dem bisher gängigem Journalismus, seien es politische Themen, Bücherbesprechungen oder eben Design- & Kreativblogs: im weitesten Sinne sind wir Blogger Redakteure, Journalisten oder als was auch immer man Menschen, die recherchieren, schreiben und Bilder posten, bezeichnet.
Allerdings hat ein Blog etwas sehr wertvolles: es ist „dein eigenes“. Es gehört dir, du bist dein eigener Chef, du schreibst von und über das, was du möchtest und wonach dir ist. Keiner macht dir Vorschriften.
Dein Blog ist dein Baby. Sollte man meinen.
Aber – und ich frage mich, ob das nur auf mich zutrifft – finde ich mich immer wieder mal in den so typischen Klauen der so leistungsorientierten Gesellschaft wieder, indem ich mich dabei ertappe, zunehmend leistungs– anstatt selbstorientiert zu denken und zu entscheiden. D.h., ich frage mich nicht immer aufrichtig und aus dem tiefen Inneren heraus, ob ICH das jetzt so oder so mit meinem Blog handhaben möchte, sondern auch, ob es „den anderen gefällt, sie auch interessiert. Ob es ins Konzept passt, professionell genug ist“ und so weiter und so fort. Natürlich trifft das nicht auf alle Themen und Bereiche zu, nein, aber ab und zu kommt es schon vor. Vor allem bei einem Thema. Wobei wir wieder bei dem Qadrat im Kreis wären.
Ich bin ein äußerst vielseitiger Mensch. Ich studiere Islamwissenschaften und ich habe mein Studium immer geliebt. Ich habe einen DIY- und Design Blog. Ich interessiere mich für gesunde Ernährung, für Sprachen, Kulturen und Menschen aller Ecken dieser Welt, finde Politik nicht nur wichtig, sondern sehr wohl der Rede wert und ich habe eine tiefe Leidenschaft für Spiritualität und Religion. Was mein Interessengebiet nicht abdeckt, ist der narturwissenschaftliche Bereich. Aber was ich damit eigentlich sagen will: es gibt nicht EINE Sache, die mein Steckenpferd ist, die meine Persönlichkeit ausmacht und mein Blog ist eigentlich nur ein kleiner Teil meiner Interessenswelt, vielleicht auch eine besondere Interessensphase, das wird sich zeigen.
Seit vielen Monaten spiele ich mit dem Gedanken, eine Rubrik in meinen Blog zu integrieren, die mit Gedanken, Poesie und sonstigem Geschreibsel über alles mögliche zu tun hat. Ein Bereich, indem ich meinen Gedanken einigermaßen freien Lauf lassen kann, zu welchen Themen auch immer. Aber hier gibt es zwei Aspekte, die mich hemmen. Der erste ist meine – sagen wir mal – Besessenheit von Planung und Struktur. Der andere die Angst, wieder zu dem hiesigen Quadrat im Kreis zu werden.
Meinen Strukturierungstick schaffe ich zu überwinden. Ob die Rubrik nun zu meinem Blog SOUSOU DIYSIGN passt oder nicht – sei’s drum. Und wie die einzelnen Artikel kategorisiert werden, wird sich schon ergeben.
Aber zum Quadrat werden? Ich weiß nicht, ob ich das wieder will. Ich war mein Leben lang ein Quadrat in dieser runden Gesellschaft. Zu Temperamentvoll, zu ehrlich und direkt, zu bockig, zu speziell, zu „komische“ Ansichten und Einstellungen. Zu freaky halt. Ich muss einfach immer meinen Senf zu Dingen geben, zumindest zu denen, bei denen ich mitreden kann. Außerdem bin ich viel zu emotional, nicht ausgeglichen und diplomatisch genug. Zu viel Herzblut, zu hitzig in einem Land mit nicht allzuvielen Sonnentagen. Einfach nicht passend in diese von Schablonen übersäte Gesellschaft. Ständig diese verdrehten Augen, diese Blicke aus den Augenwinkeln und meine mit Gewissheit bestückte Wahrnehmung, dass dich jeder für verrückt hält, wenn du „diese Meinung“ tatsächlich vertrittst. Meinungsfreiheit adé. In anderen Ländern urteilt der Staat über dich, in dieser hier die Gesellschaft und das „was nun mal normal ist“.
In den letzten Jahren hat sich einiges geändert. Ich bin stärker geworden und kann besser zu bestimmten Ansichten stehen. Zudem begegne ich vermehrt Menschen, die sehr ähnlich denken wie ich und die verdrehten Augen und Blicke aus den Augenwinkeln sind weitaus weniger geworden (ob das am älter werden liegt?). Außerdem bin ich ruhiger geworden, kein rebellierendes junges Ding mehr. Manche Dinge konnte mein Rebellenherz wohl doch nicht mehr tragen, weil der harmoniebedürftige Teil auch beachtet werden wollte. Ob das nun einfach Rücksicht auf mich selbst war oder einfache Resignation kann ich nicht beurteilen. Sicherlich etwas von beidem.
Aber tief in meinem Inneren denke ich zu wissen, wer ich bin. Rebellion oder Auflehnung Dingen gegenüber, die ich einfach abartig finde; offen zu sagen, was ich denke, war bei mir eben keine jugendliche Phase, sondern ein Teil meines Ichs. Nennt es naiv, illusionär. Ich bin eben ein Mensch mit Träumen und Visionen, jemand, der Dinge verändert sehen will. Ein Macher. Ich bin ein Macher. Aus irgendwelchen Gründen ist das in meiner Entfaltungszeit allerdings nicht ganz aufgegangen.Sonst wäre ich vielleicht Politiker oder Leiter einer bedeutenden Nicht-Regierungs-Organisation. Die Erfahrung, dass ich mit den meisten Ansichten eben nicht allein auf weiter Flur stehe, macht natürlich Mut. Aber spätestens die Erfahrung, die Ansicht laut auszusprechen und – Gott bewahre – tatsächlich zu handeln, die verbannt einen auf den Außenseiterplatz, der nunmal nicht die Lieblingsstelle eines sozialen Wesens ist.
Manche Menschen faszinieren mich. Leute, die die eigene Ansicht öffentlich darstellen, welche Kommentare auch immer sie überfluten und beleidigen mögen. Diese Stärke wünsche ich mir. Das, was ich als „richtig“ und „gut“ betrachte, auch an die Öffentlichkeit zu bringen. Nur mit weniger Selbstvorwürfen, einem dickeren Fell und mehr Selbstbewusstsein.
„Quadrat in einem Kreis“ ist ein Lied von der Band WIZO aus dem Jahre 1995 (ca.)
5 Comments
Liebe Cora,
das finde ich ganz interessant, was du schreibst. Dass du ursprünglich eigentlich einen anderen „Plan“ hattest, der Blog dich wohl aber auch an andere Themen herangeführt hat. Und du hast vollkommen recht: es ist gut, im Prozess zu sein, sich auszuprobieren – eben ständig in Bewegung bleiben, wo wir bei deinem Kreisel wären! Hach, wie schön, ich liebe sowas 🙂
Danke für deine Inspiration!
Hi Souhela,
da ist ja das Quadrat im Kreis. Die Gedanken, die Du Dir über Dein „Blogthema“ machst, kann ich gut verstehen, ich denke das geht jedem so. MIr auf jeden Fall. Anfangs wollte ich viel Tiefer in das Thema Innenarchitektur und Gestaltung einsteigen und auch mehr über Architektur posten. Jezt schneide ich sogar pilzanhänger aus ;)! Ich nenne das im prozess sein, ausprobieren oder ausloten, solange das thma dir entspricht und du dich damit wohl fühlst, taste dich doch langsam heran und werde zum Kreis im Quadrat.
Herzliche Grüße und Danke für Dienen Kommentar bei mir.
Cora
Diese Sache ist halt die, dass ich Blogs vor allem wegen ihrer Thematik lese (Auch wenn ich das bei meinem Blog auch nicht immer konsequent durchhalte, von daher lasse ich die Steine auch liegen ;-)). Auf Deinem Blog ist das alles Mögliche rund um Diy und Design.
Es gibt zuhauf (Meist Teenie-Mädels) Blogger, die meinen, sie hätten etwas zu erzählen, nur ist das wie der berühmte Sack Reis.
Aber ich bin tatsächlich gespannt, was da für Artikel kommen 🙂
Ja Marc, genauso geht es mir auch, man fängt an, die Statistiken immer öfter zu betrachten. Und natürlich schreibt man für seine Leser, aber in erster Linie eben für sich. Denn Leistung bringt man ja in vielen anderen Bereichen des Lebens schon genügend. Der Blog ist eine Plattform, die einem eben die Möglichkeit bietet, sich selbst auszuleben und das zu machen, was einem gut tut. Mit mehr oder weniger ohne Grenzen.
Was ich nicht erwähnt habe im Beitrag ist, dass ich eigentlich unheimlich gerne schreibe und auch selber gerne sowas lese. Und dazu ist ein Blog ja irgendwie prädestiniert 🙂
Ich denke, der Blog ist eine Möglichkeit, seine eigene Persönlichkeit mit allem, was einen ausmacht und was man gerne macht, zu entfalten. Und eben auch eine Möglichkeit, dass die Leute dich so mögen, wie du bist und vor allem, das was du aus dir selbst heraus machst. Deswegen sehe ich das ein bisschen anders.
Mal schauen, wenn der ein oder andere Beitrag der neuen „Sparte“ rauskommt, vielleicht findest du ja auch deinen Gefallen dran. Oder eben nicht. Dann bleiben ja noch all die anderen Themen :-D!
Sehr schöne Worte, auch wenn das etwas plakativ klingt. Mir stellt sich nur gerade die Frage, was Du damit sagen möchtest 🙂 Natürlich fällt es schwer, zu erkennen, inwiefern Deine Selbsteinschätzung stimmt (Ist nicht böse gemeint 🙂 ). Wir leben in einer Zeit, in der jeder, der mal einen gelben Schuh anzieht, sich schon für „verrückt“ und „etwas anders“ ansieht.
Zu der Idee, auf diesem Blog eine neue Sparte einzuführen, die mit Hinblick auf das eigentliche Thema völlig abwegig ist: Ich würde das lassen. Ich wollte bei mir letztens mal etwas Ähnliches starten. Das kam gar nicht gut an. Natürlich könnte man jetzt sagen:“Na und? Ist doch mein Blog!“ Aber letzten Endes schreibt ja jeder Blogger auch für seine Leser 🙂
Das „leistungsorientierte“ Schreiben kenne ich. Irgendwie bin ich dahin gerutscht, jeden Tag auf die Zugriffszahlen zu schielen. Aber damit geht definitiv der Spaß flöten, da man immer mehr „optimiert“ schreibt und man sich selbst unter Druck setzt. Daher lasse ich das mittlerweile 🙂 Zwischendurch schaue ich zwar mal, aber ich mache mir keine Gedanken mehr, nur weil die Besucher mal zurückgehen – So what 🙂